Es war einmal vor langer Zeit, da kamen alle Männer des kleinen Fischerdorfes San Pedro auf See in einem schweren Sturm um. Daraufhin zogen ihre Frauen in das Dorf der benachbarten Bucht. Die schwarzen Kleider der trauernden Witwen begründeten den neuen Namen dieses Ortes: Las Negras – die Schwarzen. Und wenn sie nicht gestorben sind…
Zur Namensgebung von Las Negras existieren noch weitere Geschichten. Unser Ziel heute ist jedoch die Cala (Bucht) San Pedro. Hierzu läßt sich noch eine zweite Erzählung anreißen: von Piraten, die hier Unterschlupf und Ausgangspunkt für ihre Raubzüge fanden und derentwegen im 16. Jahrhundert sogar ein kleines Castillo gebaut wurde, um ihrem Treiben Einhalt zu gebieten.
Fischerdorf, Piratennest, Stützpunkt kastilischer Soldaten und später noch der Guardia Civil. All das konnte in dieser Bucht nur sein, weil sie einen echten Piratenschatz birgt: eine Süßwasserquelle.
San Pedro ist heute eine Kommune von Aussteigern, Hippies oder wie auch immer man diese Menschen nennen mag (wenn man sie denn benennen muß). Auf und aus den Ruinen von Fischern, Piraten und Soldaten lassen meist junge Leute ein neues kleines Dorf entstehen. Eins, das man allerdings nur zu Fuß oder mit dem Boot erreichen kann, eine Straße dorthin gibt es nicht.
Dahin wandern wir heute, mit passendem Schuhwerk und Proviant im Rucksack. Wir wählen nicht den direkten Weg, der eine gute Stunde in Anspruch nimmt, sondern einen, der uns durch die Ramblas dieser Gegend führt. Nicht die Alleen spanischer Städte, sondern ausgetrocknete Flußbetten, die den gleichen Namen tragen.
Ein analoger Wanderführer, der uns leiten will, bezeichnet den Weg nach San Pedro als „einfach“. Wir wollten dessen nächste Stufe, „mittelschwer“, nicht ausprobieren. Nach schönem Weg durch Täler und über Berge der Sierra, folgt ein Streckenabschnitt, auf dem jeder Schritt mit Bedacht gewählt werden will und der, nicht ohne Grund, teilweise Seile zur Sicherung anbietet.
Wir kraxeln hinab, werden von sinnvollem Regelwerk begrüßt und machen Mittagspause am Strand. Ein wundervoller Ort. Wie lange werden er und seine Bewohner den kapitalistischen Versuchungen des Tourismus noch widerstehen? Tavernen gibt es, Bootstaxis und der Latrinenobolus ist weithin sichtbar aufgemalt. Aber wahrscheinlich haben die Hunde der Bewohner, bevor dies geschehen kann, sowieso alles unter einem großen Haufen begraben. Denn für die gilt, unüberseh- und riechbar, die Latrinenpflicht nicht.
Das erse Mal: trinke ich direkt aus einer Quelle. Schmeckt wie Wasser.
Der Rückweg ist anstrengend, lang und öde, weil nach der Rückkraxelei nichts als Schotterpiste zu bewätigen ist. Die Sonne brennt, die Socken qualmen. Wir sind froh, als Las Negras ins Sichtfeld gelangt.
Eine Caña am Strand und dann ab nach Hause unter die Dusche.